Stellungnahme des FanRat Braunschweig zu der Errichtung von Zäunen und Toren am EINTRACHT-Stadion
Nein zu einer Festung an der Hamburger Straße – Freier Zugang für alle!
„Wir sind Eintracht“: Der Slogan unseres Vereins ist Wahrheit und Anspruch zugleich.
„Wir sind Eintracht“, das umschreibt einerseits die Faszination dieses – auch bundesweit betrachtet – außergewöhnlichen Vereins auf eine treffende Art und Weise. Wohl kaum ein Verein kann von sich behaupten, derart homogene Strukturen zu besitzen, die Fußballromantiker gerne auch als „die große Eintracht-Familie“ bezeichnen. Sportler, Verantwortliche und die breite Fanbasis stehen sich nahe und leben den Vereinsnamen in einer einzigartigen Form. Nicht wenige Bundesligisten blicken neidisch nach Braunschweig, wenn sie sehen, wie solide und gleichsam respektvoll hier miteinander erfolgreich gearbeitet wird.
Doch dieses Miteinander stellt auch einen Anspruch dar, um diesen Erfolg langfristig zu konservieren. „Wir sind Eintracht“ – das bedeutet auch, dass es Möglichkeiten gibt, einen derartig gleichberechtigten Umgang miteinander überhaupt zu ermöglichen. Sowohl menschlich, zwischen den beteiligten Akteuren, als auch rein räumlich betrachtet. Und hier bekamen die Eintracht-Fans zuletzt starke Kopfschmerzen.
Als der Rat der Stadt Braunschweig entschied, für einen Ausbau des EINTRACHT-Stadions zu stimmen, dann geschah dies nicht nur mit Blick auf die Errichtung von VIP-Logen. Das hätten die vielen Fans, die im Vorfeld den Wahlkampf entscheidend geprägt hatten, auch nicht so gewollt. Es geschah auch, um das Stadion als einen (H)Ort soziokultureller Begegnungen zu erhalten. Die Eintracht-Familie braucht ein zu Hause an der Hamburger Straße, wie sie es bisher und insbesondere früher hatte – als es noch eher eine Umfriedung und Zäune und Tore gab, die tagsüber offen standen. Wo Fußballfans den trainierenden Leichtathleten spontan zuschauten, ins Gespräch kamen und den Verein mit Leben füllten.
Wenn die Modernisierungen des Stadions abgeschlossen sind, dann wird das Stadion außerhalb des Spieltags nicht mehr frei betretbar sein. Es wird komplett umzäunt und damit zu einer Festung. Am Trainingsplatz und dem Nebenplatz wird dies bereits deutlich: Wo man sich früher spontan traf, stehen heute meterhohe Zäune. Nicht selten sprechen böse Zungen von einem Gefühl, „wie in einem Gefängniskäfig“.
Doch damit nicht genug: In den Aufgängen der Blöcke zum Stadion wurden und werden derzeit Rolltore errichtet, welche – sollte das Stadion dann doch zukünftig mal betreten werden können – auch noch den Zugang in das Innere des Stadions endgültig verhindern. Das mag für den Bereich der Nordkurve (Gästekurve) mit dem Argument der Vandalismusprävention noch Sinn ergeben. Für den Rest des Stadions ist es schlicht eine – hoffentlich ungewollte – Abschottung.
Gerade in Sommertagen ist das Stadion ein beliebter Ort der Begegnung. Insbesondere junge Fans nutzen bspw. den Ticketkauf, um mal einen ruhigen Blick in „ihr“ Stadion zu riskieren. Sich zu fotografieren, andere Fans zu treffen und dabei die unnachahmliche Stadionatmosphäre zu genießen. Eine Choreographie vorzubereiten, zu grillen oder sich zu Workshops zu treffen. Das wird nun nicht mehr möglich sein.
Die Schülerinnen und Schüler, die an der vom Fanprojekt initiierten FanHochSchule teilnehmen, strömen regelmäßig im Lauf ihrer Veranstaltungen in das Stadion und sind von dem puren Anblick dieses geschichtsträchtigen Orts begeistert. Sie spüren die greifbare Geschichte, die ihnen die Faszination Eintracht nahe bringt und die sie nur an der Hamburger Straße erleben können. Sind die Zäune und Tore hochgezogen, erleben sie maximal ein Schloss auf Augenhöhe. Kein schöner Anblick für einen heranwachsenden Fan der Zukunft.
Die Oberbürgermeisterkandidaten haben im Rahmen ihrer von FanRat und Fanprojekt organisierten Wahlkampfveranstaltung unisono erklärt, dass ihnen Fanarbeit wichtig ist. Sie wollen das Fanprojekt in ihrem durch die Kultusministerkonferenz gegebenen Auftrag bestärken, neben Jugendarbeit auch kulturelle Identitätsarbeit mit den Fußballfans voranzutreiben. Ein Stadion als Festung steht hierzu in einem krassen Gegensatz, denn wo soll diese Arbeit nun stattfinden? In einer anonymen Einrichtung der AWO? Oder in dem baldigen FanHaus, welches zwischen einem Parkplatz und Tennisplätzen gebaut wird?
Die OB-Kandidaten haben für mehr Vertrauen in die Fußballfans geworben. Zäune können auch Aggressionen fördern, so war ihr Credo: Weniger kann auch mehr sein, setzt sichtbare Zeichen für mehr gegenseitigen Respekt und gegen Rivalitäten.
Bis zum heutigen Tag war und ist das Stadion frei zugänglich, über nennenswerte Sachbeschädigungen oder gar Unfälle ist nie etwas bekannt geworden. Warum also nun diese Abschottung, warum diese Zäune? Natürlich muss ein Stadion auch versichert sein, nur muss man dafür gleich alle Schotten dicht machen? Und sollte man nicht vielmehr, gerade nach den guten Vorerfahrungen am hiesigen Standort Braunschweig, nicht den gegenteiligen Weg zu den trost- und seelenlosen Arenen der anderen Bundesligisten konsequent zu Ende gehen und sagen: Wir öffnen unsere Tore gerne für jeden, wir sind „Eintracht“ und wissen, das dieser Titel auch gegenseitiges Vertrauen impliziert.
Der FanRat Braunschweig weiß um das gute Verhältnis von Verein, Stadt und Fanszene. Wir wollen dieses in jedem Fall erhalten, brauchen dafür aber auch gewisse Freiräume. Und die kann es nur in einem EINTRACHT-Stadion geben, das den Namen auch verdient. Ein Stadion für einträchtige Fans und kein Gitterkäfig für diejenigen, die einen Schlüssel dazu besitzen.
Dass Zäune gebaut werden, um moderne Sicherheitsstandards, gerade an Spieltagen, zu erhalten, ist verständlich und wird von uns daher auch mitgetragen. Wir fordern aber eindeutig, dass die Tore dieser Zäune auch unter der Woche geöffnet bleiben! Ferner stößt das Errichten von Rollgittern vor den Heimblöcken auf eine breite Ablehnung und Unverständnis unter den Fans, denn hierzu sehen wir beileibe keine unmittelbare Notwendigkeit: Gebt den Fans das Vertrauen, das ihr bisher in sie hattet – sie werden es nicht enttäuschen!
Der FanRat Braunschweig am 27. März 2014